Erinnerungen - Ein Keller voller Schätze

Kennen Sie das auch? Kaum hat man einen Keller, füllt er sich. Mit nützlichen Dingen, die man noch gut gebrauchen kann, mit 'Zeug', für das es gerade keine Verwendung gibt, und mit Dingen, die man noch nicht bereit ist wegzuwerfen. An manchen hängt Nostalgie, an anderen die Hoffnung, sie irgendwann zu reparieren oder fertigzustellen (was sich meist als Illusion herausstellt). Langsam und unmerklich verschwinden Ordnung, Überblick und Platz. Irgendwann bleibt nur noch der Vorsatz: Ich muß da mal dran.

So ähnlich geht es dem Erinnerungsschatz im Keller des Langzeitgedächtnisses. Zwischen all dem Gerümpel liegen auch die funkelnden Schätze unseres Lebens verborgen, die uns einst kostbar waren, die wir nie loslassen wollten und die doch aus dem Rampenlicht des Bewußtseins verschwunden sind. In diesem dunklen Hort, der sich lebenslang unaufhaltsam weiter füllt, vergilben die Bilder und Bücher unseres Lebens. Jetzt könnten sie wieder neuen Glanz bekommen: Weißt du noch, damals ...? Während wir weiter stöbern, nachsinnieren, schmunzeln und leise manche Träne vergießen, wird uns klar, wie reich gefüllt unser Leben doch schon war. „Die Erinnerung ist der Krämerladen unserer geheimen Wünsche und Gefühle“, sinnierte Ernst R. Hauschka, ein deutscher Aphoristiker und Essayist. Hat man erst einmal begonnen, werden immer mehr Erinnerungen wach, eine „unendliche Geschichte“ tut sich auf. Anekdoten reihen sich wie Perlen einer Kette aneinander, unser Gedächtnis gibt über Assoziationen vernetzte Szenen mit ihren Sinneseindrücken und Gefühlen frei. Jede gesellige Runde wird heiter beim Erzählen; Gegenwart und Raum verschwinden. Was kann spannender sein, als eines Menschen Lebendigkeit in seinen Erlebnissen zu spüren?
 
Die Erinnerung ist der Krämerladen unserer geheimen Wünsche und Gefühle.

Anderes Erinnern ähnelt dagegen mehr dem Aufdecken eines Minenfeldes, die Seele scheint mit Pflastern bedeckt. Da wäre es doch einfacher, die Kellertüren geschlossen zu halten und zu warten, bis der Staub des Vergessens sich gnädig darüberlegen möge. Doch das Gedächtnis vergißt nichts. In manchen Schlupfwinkeln nisten sich ungebetene Gäste ein, es brodelt und ein aufdringlicher Dunst steigt hoch ins Erdgeschoß des Bewußtseins. Wenn Minen hochgehen und alte Wunden bluten scheint eine innere Inventur unumgänglich. Schmerzhafte Erfahrungen, zerbrochene Beziehungen, Schuld und Scham, bedrückende Moral, ungenutzte Chancen und ungestillte Sehnsüchte warten auf Erlösung. Mit dem Sprechen darüber ist zumindest ein Anfang gemacht, der nach Fortsetzung ruft. Irgendwann stellt sich Mut ein und eine tatkräftige Hand, die sortiert und begutachtet, reinigt und umwandelt, in Frieden bringt und losläßt.

Die Wächter an den Kellertüren

Das Wegsperren von Vergangenheit ist eine aufwendige psychische Selbstschutzaufgabe. Sie bindet Lebensenergie, die dann für anderes nicht zur Verfügung steht. Wächter an den Kellertüren (sogenannte Abwehrmechanismen) arbeiten fast rund um die Uhr – nur im Schlaf, bei Streß, unter Alkohol und Drogen oder im heftigen Konflikt sind sie abgelenkt. Solcher Art Selbstkontrolle läßt sich nicht dauerhaft sichern. Dramen der Weltliteratur wie „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hide“ (Robert Louis Stevenson) beschreiben, wie abgespaltene (traumatisierte), unerwünschte (unmoralische) oder gar gehaßte (häßliche) Anteile der eigenen Persönlichkeit ein von der Kontrolle des Bewußtseins unbesehenes Eigenleben führen. Eines Tages werden sie aktiv und dann auch oft zerstörerisch. Die Mittel wie die Auswirkungen werden dramatischer, zuletzt will der verzweifelte Dr. Jekyll sich selbst töten, um Mr. Hide loszuwerden. Siegmund Freud beschrieb solche Konflikte – weniger dramatisch – zwischen dem Es (Triebe) und dem Über-Ich (Gewissen). Alfred Adler nannte sie „die Schatten“, ein Begriff, den Rüdiger Dahlke in seinem Buch „Das Schattenprinzip“ aufgreift.

„Unerlöste Erinnerungen nähren Therapeuten, erlöste die Welt“, pointiert der österreichische Liedermacher Peter Horton in seinen Aphorismen. Die seelische Hausaufgabe des inneren Aufräumens läßt sich zwar aufschieben, doch nicht aufheben. Auf dem Weg der Genesung gibt es keinen Schleichweg an den inneren Wahrheiten vorbei. „Sich wahrheitsgemäß zu erinnern tut oft weh“, erkannte auch Richard von Weizsäcker – ein Mann mit einem Leben wie aus dem Bilderbuch, der doch ebenso wie viele Andere aus Kriegszeiten reichlich dunkle Tiefen mit zurückbrachte.

Die „vergessene Generation“

Wir als Europäer und besonders wir Deutsche haben in unseren Kellerräumen eine bedrückende Vergangenheit, die unter dem Begriff „Kriegskinder“ seit den 80er Jahren, nicht historisch distanziert, sondern berührend hautnah, ins Bewußtsein gerufen wurde. Sabine Bode kommt der Verdienst zu, nach Jahrzehnten den Mantel des Schweigens vom Schicksal der Menschen genommen zu haben, die zwischen 1930 und 1945 in Deutschland geboren wurden. In ihren Interviews schildert sie das innere Erleben der Kinder von damals, dieser „vergessenen Generation“, ihre aus der Not geborenen Strategien der Verdrängung, Verharmlosung und Beschönigung, des Zudeckelns mit Arbeit und Härte gegen sich selbst. Auch die Folgen davon: fehlende Emotionalität, ständige Arbeit, Durchhalten und Dulden. „Die Unfähigkeit zu trauern“, die Margarete und Alexander Mitscherlich 1967 als kollektive Abwehr von Schuld, Scham und Angst konstatierten, hatte Folgen auch für die nächsten Generationen, für ihr Erleben von emotionalem Alleingelassensein und dumpfen Ahnungen von dunklen Geheimnissen hinter der Sprachlosigkeit, die den Alltag vieler Familien umwaberte.

Es ist nie zu spät, 'eine kraftvolle Vergangenheit' gehabt zu haben.

Wer alles Unschöne aus seiner Biographie und der seiner Familie herausstreichen wollte, dem fehlen viele Seiten in der Lebensbilanz, der findet sich nicht einmal mehr zurecht, wie „Der Mann ohne Vergangenheit“ (Der zweite Film aus einer Trilogie von Aki Kaurismäki, 2002). Menschen mit Gedächtnisverlust hätten oft lieber Gewißheit über Dunkles in ihrer Vergangenheit als die leeren Flecken und das Rätsel um ihr wahres Ich. Lichtes und Dunkles liegen nun einmal eng verwoben beisammen. Wer das eine möchte, muß mit dem anderen sinnvoll umzugehen lernen. Im Nachhinein, oft erst viel später, erweist sich ein Sammelsurium aus Fehlern, Versagen, Verlust und Versäumtem nach dem Aufräumen als wahre Lebensschule. Doch um diese Essenz zu gewinnen, aus den Irrwegen und den Denkzetteln des Lebens, braucht es den Mut, der oft erst durch eine handfeste Krise aufgebracht werden kann. „Aus meinen Fehlern habe ich am meisten gelernt. Lieber Gott, lass mich neue machen“ - ein denkwürdiger Graffiti-Spruch an einem 'stillen Örtchen'. In Abwandlung eines anderen bekannten Buches könnte man formulieren: Es ist nie zu spät, 'eine kraftvolle Vergangenheit' gehabt zu haben.

Zehn Tipps für einen aufgeräumten Erinnerungskeller

Zunächst sind Sichten, Klären und Loslassen angesagt.

1. Lebensübergänge
sind gute Gelegenheiten dazu. Wenn wir wie von einem Haus in ein anderes ziehen, vom Beruf in den Ruhestand gehen oder während einer Lebenskrise, drängen sich Erinnerungen geradezu auf. Sehen wir die Aufgabe positiv als eine Aufforderung, 'klar Schiff' zu machen. Gehen wir geduldig und vorsichtig, jedoch auch neugierig und mit detektivischem Spürsinn heran. Vielleicht ist eine Auszeit zur Kontemplation sinnvoll, Urlaub, eine Woche im Koster, das Wochenende mit beruhigender Gartenarbeit oder langen Spaziergängen. Manches sortiert sich wie von allein, Puzzlestücke passen plötzlich zusammen. Auch Trauerarbeit gehört dazu, um Vergangenes zu verarbeiten. Manchmal kommt sie als Schwall, ein anderes Mal als Bedürfnis nach Rückzug oder als stiller Schrei. Am Ende bleiben Wertschätzung, ein vollständig gewordenes Bild und Dankbarkeit.

2. Biographiearbeit
Der moderne Boom hat gute Gründe. Er bietet Ansätze, Spielräume, Anleitungen und Werkzeuge für jeden individuellen Bedarf, um sich selbst besser kennenzulernen und mit den Erfahrungen des Lebens Frieden zu schließen. Das systematische Herangehen an den Schatz der Erinnerungen mit seinen intensiven Sinneseindrücken und Gefühlen ist selbst schon ein Erlebnis. Doch der Effekt ist tiefer: In den Erfahrungen steckt auch ein Leitfaden für ein gutes Leben. Was hat mich geprägt, wer waren meine Vorbilder, welche Überzeugungen bestimmen bis heute mein Leben? Was hat sich bewährt, was nicht? Und möchte ich das weiter so? Sogar Leidvolles, Lästiges und Peinliches enthält einen guten Kern und einen Hinweis für die Wendung ins Gute.

3. Eine offene Haltung
ist eine der zentralen Übungen in Achtsamkeitsschulen: Werte nicht, betrachte ruhig und aufmerksam, lasse es einfach stehen. Es wird sich von allein verändern. Schmerz verliert seine Schärfe, Depression das Bedrückende, Wut ihren Handlungsdrang und Angst die Atemnot. Urteile und schnelles Handeln dagegen führen zu Entscheidungen in dem schon bekannten Fahrwasser bisheriger Denkroutinen und Gewohnheiten. Und nichts ändert sich. Beim ruhigen Betrachten von inneren Erscheinungen – selbst bei aufgewühlten Gefühlen – werden auch Kernthemen des eigenen Lebens erkennbar, sozusagen rote Fäden, aus denen sich neue Fäden ableiten lassen. Bei längerer Übung verliert sich die Angst vor dem Erinnern und den damit einher gehenden Gefühlen. Statt dessen macht sich Besonnenheit breit, die Fähigkeit, Dingen ihr Drama zu nehmen.

4. Nicht alles 1:1 nehmen.
Über dieselben Ereignisse erzählen zwei Menschen zwei unterschiedliche Geschichten. Unser Gehirn ist schlicht nicht darauf ausgerichtet, 'die Realität' an sich zu erfassen. Wir sehen die Welt durch unsere Brille aus Werten, früheren Erfahrungen, Erwartungen, Umgebungseinfaktoren, aktueller Stimmung und Verfassung. Auch wenn das Ergebnis mit unserem jeweiligen Gegenüber deckungsgleich zu sein scheint (wir haben ja 'dasselbe' erlebt), so bleibt es eine individuelle Erfahrung. Was dann in uns wirkt, diese Wirklichkeit, bringen wir in den Keller der Erinnerung. Holen wir sie später hervor, durchläuft sie eine erneute Interpretation – aus Sicht der heutigen Bedeutung. Das ist auch nicht schlimm, solange wir aufmerksam bleiben für mögliche Verzerrungen, uns nicht überrollen lassen von Intensität und offen bleiben für eine alternative Sicht auf die Dinge.

5. Schöne Erinnerungen pflegen
Kaum ist ein schöner Moment vorbei, droht ihm Vergessen. Die nährende Energie von Freude und Erfolg scheinen wir kaum festhalten zu können, allzu schnell verschwinden sie im Keller des Langzeitgedächtnisses – abgehakt (das sogenannte Gesetz der vollendeten Form wirkt). Bald meldet sich neuer Hunger, ein ewiges Jagen nach Befriedigung durch Anerkennung, Neugier und Spaß. Im Gegensatz dazu hält unser Gehirn Schwierigkeiten und Bedrohliches lange präsent, vergrößert es sogar noch, wenn wir darüber grübeln (sozusagen eine unvollendete Form auf dem Schreibtisch des Arbeitsgedächtnisses). Ein einzelner Fehler in einer Prüfung scheint besser erinnerbar als alle geschafften Prüfungen in der Ausbildung. Dazu kommt ein der Routine innewohnender Graustich, der sich allzu schnell auf die Farben und Nuancen unseres Alltags legt. Also feiern wir doch unsere Jahrestage, halten Rückblick auf Erlebtes, nehmen uns Zeit für die kleinen Erfolge und freudigen Erfahrungen, damit an jedem Tag ein eigenes Stück Leben passiert.

6. Tagebuch zu schreiben
rückt manches zurecht, was noch quer im Magen liegt, bevor wir es in den Schlaf mit hineintragen. „Putze den Tag“ nennt es der friesische Poet Peter T. Schulz (in „Liebe ist Energie“): Die Erlebnisse Revue passieren lassen, Gefühle wahrnehmen und ausdrücken, noch Ungeklärtes durchdenken und für sich innerlich ins Reine bringen. Und als erinnerungswürdig festhalten, was es Schönes gab. Es braucht Phantasie, jeden Tag für drei schöne Erfahrungen zu loben, für scheinbar Selbstverständliches wie den Sonnenschein, ein Lächeln, das Geschenk des eigenen Lebens.

7. Unschöne Erinnerungen in Versöhnung bringen
Zugegeben, das ist ein hartes Stück innere Arbeit. Versöhnung mit dem Schicksal, mit eigenen Fehlern oder mit anderen Menschen ist eher das Ergebnis eines langen Prozesses als ein einfacher Vorsatz. Wie Hausaufgaben müssen sie einzeln bearbeitet werden. Die Verletzungen, Schuldigkeiten und Enttäuschungen wollen einzeln betrachtet sein, schonungslos und – ehrlich – auch anklagend gegen unsere Schuldiger und uns selbst (was die Psyche sowieso tut). Im 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker heißt es: Wir machen eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt haben und werden willig, ihn bei allen wieder gutzumachen (8. Schritt). Und weiter: Wir setzen die Inventur bei uns fort ... Wir hören nicht auf, weiter an uns zu arbeiten und stehen auch in Zukunft zu unseren Fehlern (10. Schritt). Doch genauso gilt es umgekehrt: Sehen wir auch, was uns angetan oder vorenthalten wurde und was wir uns selbst antaten oder vorenthielten. Tauschen wir uns mit Gleichgesinnten aus und teilen das Unglück. Stöbern wir in Familiengeschichten und finden die Wurzeln von Übel oft Generationen zurück liegend. Der von Bert Hellinger in den 80er Jahren initiierte Boom der sogenannten Familienaufstellungen zeigt auch, wie groß das Bedürfnis von schicksalsgeplagten Menschen nach rückwirkendem Begreifen und Versöhnen ist. Allein teilzunehmen kann eine große Bereicherung sein – in den vielen Facetten der anderen Schicksale spiegelt sich das eigene wider. 
 
8. Wann ist es Zeit für einen Plan B? 
Erweisen sich Erinnerungen über längere Zeit als angsteinflößend, schockierend, überflutend und unbeherrschbar, ist professionelle Hilfe angesagt. Die Möglichkeiten sind breit gefächert, Beratungsstellen, Notfallambulanzen von Allgemeinkrankenhäusern, Fachkliniken, ambulante Psychotherapie. Psychotherapeutenkammern und Ärztekammern der jeweiligen Bundesländer bieten verläßliche Hinweise und ebensolche Adressen. Im akuten Notfall sind die anonymen Helfer der Telefonseelsorge rund um die Uhr erreichbar als aufmerksame kompetente Gesprächspartner. Sich auszutauschen in einer Selbsthilfegruppe kann ein erster Schritt sein, wieder eine gesunde innere Distanz zu einer bedrückenden Stimmung oder einem Berg von Problemen zu gewinnen. Andere Menschen teilen, beruhigen, ermutigen und geben aus ihrem Erfahrungsschatz heraus wertvolle Hinweise. Wenn die Seele schreit, ist dies eine Warnung, nicht der Weltuntergang. Tun wir nichts, läßt die Seele nicht locker und schickt weiterhin Beschwerden (sie beschwert sich), zuerst psychisch, dann auch körperlich. 
 
9. Neuvermüllung vermeiden
Nach solcher Klärung von Vergangenem ist hoffentlich das Bewußtsein geschärft, neue Inhalte für den Erinnerungskeller fortan besser vorher aufzuräumen, um nicht erneut 'Zeug' anzusammeln. Empfehlenswerte Strategien können sein:

  • Eine positive Haltung zu den schwierigen Aspekten unseres Lebens einzunehmen: sie sind die Übungsaufgaben in der Schule des Lebens. Was kann ich daraus lernen?  
  • Dinge zu Ende zu denken, Probleme direkt zu lösen, sie nicht anhäufen wie einen Haufen aus (anfangs kleinen) Kieselsteinen, der sich später als Lawine entlädt. 
  • Gefühle zuzulassen und zu fragen, was ihre Botschaft ist. Die Psyche zeigt uns ihre Bedürfnisse an und liefert gleich die Energie zum Handeln mit dazu. 
  • Die Sichtweisen und Bedürfnisse anderer wertschätzen und erfragen, selbst wenn sie sich mit den eigenen beißen. Sie erweitern die eigene Weltsicht und mancher zwischenmenschliche Konflikt ist durch Kommunikation und gemeinsame Lösungsbestrebungen klärbar.
  • Geduld und Wertschätzung auch sich selbst gegenüber. “Wir sind Gewordene“ (Martin Buber), aber auch Werdende. Erinnerungsarbeit braucht Zeit und gute Absichten. Selbsterkenntnis, Regeln für ein gelingendes Leben und Versöhnung fallen nicht vom Himmel. Wer sich als Schüler in der Schule des Lebens nicht erkennen und einordnen kann, sondern gleich sein Versagen (oder die Meisterschaft) postuliert, der bleibt vor der Schultüre stehen. 
  • Ein guter Ansatz, der schnell Erleichterung bringt: ganz praktisch Kellerräume, Speicher, Kisten und Kästen aufzuräumen. Karen Kingston empfiehlt in „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“, sich erst einmal gründlich zu befreien von Überflüssigem, Häßlichem und allem, das schlechte Erinnerungen auslöst. Damit räumt sich auch das krause Zeug im Kopf auf und schafft freien Raum für neue Ansichten und spritzige Ideen. 

 
10. Und zuletzt: Lebe im Hier und Jetzt.
Leben geschieht nicht früher und nicht später. Wer sich häufig in der Vergangenheit (Wut, Schuld, Trauer) oder in der Zukunft (Sorgen) aufhält, dessen erlebte Gegenwart ist oft nicht mehr als ein flüchtiger Zwischenstop. Eckhard Tolle hat mit seinem Buch „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ ein tiefes Umdenken ausgelöst. Er empfiehlt, eine besonnene Selbst- und Weltwahrnehmung zu üben: Was passiert gerade, was nehmen meine Sinne wahr? Wo bin ich mit meinen Gedanken unterwegs? Wie setze ich Prioritäten und treffe ich Entscheidungen? Was spiegeln mir andere wider? Welche Spuren hinterlasse ich in meiner Umwelt? Hilfereiche Strategien, um die eigenen typischen Reaktionsmuster und Wahlmöglichkeiten zu erkennen, Gelassenheit zu zeigen und – fast nebenbei – intensiver zu leben.
 
Die Weihnachtszeit ist eingeläutet und mit ihr kommen Erinnerungen hoch. Umweht von vertrauten Düften, eingehüllt von eingängigen Liedern und süßlichen Familienbildern ist es schwer, seinen Gefühlen aus dem Weg zu gehen. Vielleich nutzen Sie dieses Mal den wach gerufenen Erinnerungsschatz für einen Hausputz in der Seele? Den zwölf Rauhnächten um den Jahreswechsel herum sagt man in alter Tradition nach, die tieferen Schichten des Seelenlebens näher ans Bewußtsein zu führen. Mit dem Aufschreiben der eigenen Lebensgeschichten zu beginnen könnte ein schöner und sinnvoller Einstieg sein in die ganz eigene 'unendliche Geschichte'.
 
Literaturempfehlungen 

  • Robert Louis Stevenson: Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hide. Deutsche Übersetzung, z. B. von Marguerite und Curt Thesing. Diogenes, Zürich 1979.
  • Rüdiger Dahlke: Das Schattenprinzip. Die Aussöhnung mit unserer verborgenen Seite. Arkana, München 2010
  • Sabine Bode: Die vergessene Generation. Kriegskinder brechen ihr Schweigen. Klett-Cotta, Stuttgart, 2013 (1. Auflage in dieser Ausstattung).
  • Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. Piper, München 1967.
  • Herbert Gudjons et al.: Auf meinen Spuren. Übungen zur Biographiearbeit. Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2008.

 

(Der Text wurde als Leitartikel veröffentlicht im Magazin BLAU 6/2019. Thema der Ausgabe: „Erinnerungen“. Herausgeber: Blaues Kreuz in Deutschland e. V., BKD)