Entscheidungen und Lebensträume
Augenblicke
Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich versuchen mehr Fehler zu machen.
Ich würde nicht versuchen, perfekt zu sein. Ich würde mich mehr entspannen.
Ich würde dümmer sein als ich gewesen bin: In der Tat würde ich sehr wenige Dinge ernst nehmen.
Ich würde mehr Risiken eingehen, öfter reisen, mich in mehr Abenddämmerungen versenken, mehr Berge besteigen, in mehr Flüssen schwimmen, mehr Eis und weniger Bohnen essen.
Ich würde wirklichere und weniger imaginäre Probleme haben.
Ich gehörte zu den Menschen, die vernünftig und sorgfältig jeden Augenblick ihres Lebens lebten. Doch sicher hatte ich auch Momente der Freude; aber wenn ich zurückkommen könnte, würde ich versuchen, nur gute Momente zu haben.
(Falls du das noch nicht weißt: Nur aus Augenblicken ist das Leben zusammengesetzt, verpasse nicht das Jetzt!)
Ich war einer derjenigen, der nie irgendwohin gefahren ist, ohne eine Wärmflasche, einen Regenschirm und einen Fallschirm dabei zu haben. Wenn ich wieder leben könnte, würde ich leichter reisen.
Wenn ich nochmals leben könnte, würde ich im Frühling beginnen, barfuß zu laufen und erst am Herbstende damit aufhören. Ich würde öfter Kutsche fahren, mich in mehr Morgendämmerungen versenken und öfter mit Kindern spielen, wenn ich nochmal das Leben vor mir hätte.
Aber schau: Ich bin 85 Jahre und weiss dass ich gerade sterbe!
(Jorge Luis Borges)
Wenn wir uns trauen, unser Leben aus der Rückwärtsperspektive zu betrachten, dann sehen wir gute Entscheidungen und weniger gute. Die „guten“ erscheinen uns gut, weil sie ein Schritt auf dem Weg waren zum dem, der /die wir werden wollten und wie wir uns zu leben vorgenommen hatten.. Die anderen erscheinen uns „weniger gut“, weil sie zu etwas führten, dass wir auch wurden, das wir aber NICHT sein wollen und wie wir nicht leben wollten.
Vielleicht haben wir uns an „falschen Vorbilder“ orientiert oder es einfach laufen gelassen. Dann haben andere oder der Zufall den Weg bestimmt. Vielleicht haben wir aus Ungewissheit heraus Angst entwickelt und sind „den sicheren Weg“ gegangen, den schon andere vor uns gegangen sind, der „üblich“ war. Vielleicht hatten wir auch keine Ahnung von anderen Möglichkeiten. Oder haben eher auf unsere Schwächen als auf unsere Stärken geschaut, sind zurück geschreckt vor einem Weg, der vielleicht „zu" ungewiss, individuell oder gewagt gewesen wäre. „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut!“ (Karl Valentin).
Vielleicht wollten wir auch einfach den „leichten Weg“ gehen und alles andere erschien als „zu" anstrengend. Wenn uns dann bewusst wird, dass wir hätten auch anderes wählen können und dieses Andere zu einem positiveren Ergebnis geführt hätte, wissen wir: „Es gibt den schweren Weg – und den falschen“. Der Schwere wäre der unbequeme, der „sozial unverträgliche“ oder der hinein ins Neuland gewesen. So geht es wohl allen Menschen mit früheren Entscheidungen, die das Heute mitbestimmen. „Leben kann man nur vorwärts, das Leben verstehen nur rückwärts.“ (Søren Kierkegaard).
Doch wir können es nicht rückwirkend ändern. „Wir sind Gewordene“ (Martin Buber). Aus diesem Dilemma heraus entstehen innere Konflikte: Reue, Selbstvorwürfe, Fremdvorwürfe, vielleicht Verbitterung. Häufig bleiben wir stehen (Erstarrung) oder gehen in einen Rückzug und zementieren damit die Verweigerung, es jetzt anzupacken.
Was können wir tun? "Besser Jetzt als Nie!"
Wir klären unsere Motivation: Will ich von etwas „weg“ oder zu etwas „hin“? Wieviel Mut und Mühe bin ich bereit einzusetzen? Was bin ich bereit dafür loszulassen? Wenn wir in die Zukunft schauen, dann sehen wir vielleicht Wunschträume, aber zweifeln, ob wir sie jemals umzusetzen imstande sein werden. Manche bleiben schon hier stecken: Lieber ein schöner Wolken-Traum als ein realistisch umgesetzter, „abgespeckter“ Traum (platzende Illusionen tun weh).
Mit der Vergangenheit können wir uns versöhnen. Das schafft Klarheit und setzt viel Kraft frei, statt sich in Träumereien zu flüchten („Ach, wenn ich noch mal 17 wär‘…“).
In der Gegenwart können wir „wach“ werden (dabei auch erkennen, wie wir uns selbst im Wege stehen, zum Beispiel schon an kleinen Wegkreuzungen zu zaudern und „weiter wie bisher“ zu wählen).
Für eine andere Zukunft können wir andere Entscheidungen treffen.
Diese Zukunft wird automatisch „anders“, wenn wir Entscheidungen anders treffen.
Mit einer neuen großen Entscheidung können wir einen gravierenden Lebenswandel einleiten.
Übung 1: Vorbilder
Schauen Sie auf Personen, die Sie beneiden. Worum dreht sich Ihr Neid? Wie glauben Sie, sind diese Personen dahin gekommen? Welche Hürden und Anstrengungen haben sie dafür in Kauf und in Angriff genommen? Hat es auch Verzicht an anderer Stelle gekostet? Wer waren ihre besten Unterstützer? Welche Voraussetzungen haben Sie mit diesen Vorbildern gemeinsam?
Übung 2: Mein schönster Tag“
Wir stellen uns einen Tag in der Zukunft vor, z. B. in einem Jahr, an dem wir das Ziel erreicht haben wollen. Wir beschreiben diesen Tag in aller Ausführlichkeit, beginnend mit dem Aufwachen, IN DER JETZT-FORM: „Ich wache auf in einem Zimmer ….“. Jedes Detail wird ausgemalt (die Bettwäsche, die Uhrzeit, andere Personen im Zimmer, das Gefühl beim Aufwachen), dann weiter zum Aufstehen und einem Blick aus dem Fenster (Wo lebe ich gerade, wie sieht es draußen aus, wie ist das Wetter?), dann die Pläne für diesen Tag vom Frühstücken (Was? Wo? in welcher Stimmung?) bist zum Einschlafen abends (mit welchem Gefühl?).
Übung 3: Entscheidungen "anders" treffen
Wenn wir ein neues Ziel erreichen wollen, hat die übliche Vorgehensweise meist folgenden Blickwinkel: Welche Möglichkeiten habe ich vor Augen? Was sagt meine Vergangenheit? Was meine Gegenwart? Was sagen andere Leute über meine Möglichkeiten? Wir bleiben in einem vertrauten Denkmuster, das sich auf begrenzte vertraute Möglichkeiten beruft. Taucht nun ein Hindernis auf, werden wir stehenbleiben, eine Weile herumrätseln und dann den Plan zum Scheitern verurteilen. Wir sind Opfer unserer begrenzten Weltsicht geworden. Wir leben in einem geistigen Tunnel, der aus der Vergangenheit kommt und genauso weiter laufen wird in die Zukunft hinein, wenn wir ihn nicht verlassen und außerhalb des Tunnels nach neuen Möglichkeiten suchen. Wie Menschen, die bei einem langen Stau auf der Autobahn einfach stehenbleiben, abwarten und hoffen, statt von der Autobahn abzufahren und eine Alternative „über Land“ zu erkunden. Oder die bestimmte Bedingungen erst erfüllt sehen wollen, bevor es weiter geht: „Erst muss ich abnehmen, dann kann ich einen Partner finden“. Da stockt schon der Fortschritt in der Falle „MÜSSEN“.
Ein neuer Weg geht anders herum. Zunächst malen wir uns ein attraktives Ziel in der Zukunft aus und legen einen realistischen Termin dafür fest ("Das will ich eines Tages erlebt haben! So will ich eines Tages geworden sein.“) Wir stellen uns vor, schon dort zu sein, heute (dafür ist auch Übung 3 hilfreich)! Dann dann malen wir uns den Weg dahin rückwärts aus: Was muss direkt als Schritt vorher geschehen sein, damit dieses Ziel möglich wird? Und was wäre der sinnvollste Schritt vor diesem Schritt usw. Dieser Trick umgeht den engen Tunnelblick und aktiviert einen inneren Suchprozess.
Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben den Wunschtraum von einer "rauschenden Nacht in New York“. Was sollte vorher getan worden sein? (ein Taxis gerufen haben), was davor? (eine Abendrobe besorgt haben), was davor? (eine Eintrittskarte für ein Fest besorgt haben), was davor? (ein Hotelzimmer bezogen haben), was davor? (vom Flughafen zum Hotel gefahren sein) usw. bis rückwärts zum JETZT. Am besten fängt man auf einem Blatt ganz oben mit dem „Ziel“ an und setzt dann den ersten Pfeil darunter, der zu diesem Ziel hinführt. Dann den nächsten Pfeil vor dieses Zwischenschritt setzen. Ganz unten auf der Seite steht „Jetzt“. Zwischen Ziel und Jetzt ist dieser Weg zu planen.
Wenn Hindernisse auftreten: Da fehlt vielleicht eine Information, da gibt es etwas zu lernen, da braucht man vielleicht fremde Hilfe. Hier macht unser "Hauptweg" eine "Schleife", die zuerst bearbeitet wird, bevor es weiter geht.
Noch ein Wort zu Lebensübergängen
Wichtige Lebensübergänge tun uns einen Gefallen: Sie kommen von allein und sie zwingen uns in einen Lern- und Wachstumsprozess hinein. Entweder weil wir älter werden (Schulbeginn, Berufsausbildung, Rentenbeginn etc.), weil sie in den Lauf des Lebens passen (Heiraten, Kinder bekommen …) oder weil sie als Schicksalsschlag herein brechen (Kündigung, ungewollte Trennung, Krankheit, Unfall, Todesfall). Jedes Mal bringen sie gravierende Veränderungen mit sich und wir brauchen eine Phase des Übergangs, in der wir unser Leben neu ordnen und "aufstellen“.
Interessant sind die „selbst gemachten“ Übergänge: Auszeit, Berufswechsel, Wechsel in der Partnerschaftssituation, Umzug oder Auswanderung. Hier gibt es oft drängende innere und äußere Faktoren, aber auch einen großen Spielraum für Entscheidungen. Wir können eine „Stunde 0“ definieren und im großen Zauberkasten des Lebens herumstöbern. Da gibt es vielleicht einen Lebenstraum, der schon lange wartet. Oder eine innere Uhr, die tickt…
Also: Wo stehen Sie im Moment auf Ihrem Lebensweg?
Läuft gerade bei Ihnen ein Lebensübergang ab oder kündigt sich ein solcher an? Vielleicht wäre ein solcher auch „mehr als dran“?
Sie können Ihn begrüßen oder sich innerlich dagegen sträuben.
Sind sie bereit, sich selbst zu begegnen? Sich auf neues Terrain zu begeben? Und ein Risiko einzugehen? Sie werden nicht davon sterben, doch vielleicht dadurch neu geboren werden.